©2008
Dominik Dürrenberger














DRAMALINCHEN






















Kadame & Devane
Eine menschheitsgeschichtliche Wiederholung
Ein Dramalinchen

Ein Mann und eine Frau liegen auf einem Bett, gegen hinten öffnet sich die Stadt, in Schwärze gehüllt, mit kleinen, flackernden Lichtaugen bestückt.
Das Zimmer ist hell erleuchtet, Sterilität schreit, das Bett ist von offen stehenden Kühlschränken umgeben.
Fröstelnd und eng umschlungen versuchen die beiden nur von Nacktheit Umhüllten zu sprechen.

Kadame: Ich friere.
Devane: Mir ist kalt.
Kadame: Frierst Du?
Devane: Mir ist kalt. Ich will Wärme.
Kadame: Wir dürfen nicht.
Devane: Nicht?
Kadame: Wir dürfen nicht.

Die Kühlschränke sind noch immer geöffnet und geben erbarmungslos kaltes, blaues Licht von sich.

Devane: Ich werde das Wissen herauf beschwören. Ich werde dafür beten.

Kadame bricht in schallendes Gelächter aus, das ihn vom Körper Devanes weg sprengt.

Kadame: Ich lache.
Devane: Ich höre es. Wir dürfen uns nicht los lassen. Wir haben nur uns.
Kadame: Ich liebe.
Devane: Ich fühle nichts.
Kadame: Wir sollten uns umarmen. Wir sollten uns küssen. Wild und lange. Für immer.
Devane: Wir dürfen nicht. Wir sterben.
Kadame: Ich weiss. Wie können wir sie nur ausschalten?

Ein Bildschirm erscheint, auf dem ein weiss gelockter Mensch sanft lächelnd die Stimme erhebt.

Stimme: Weigert euch und vergesst!
Devane: Wir können nicht vergessen. Wir sollten nicht alles glauben, was uns am Fernseher gesagt wird.
Stimme: Weigert euch und vergesst!
Kadame: Wir sollten tun, was uns der Mann im Fernseher sagt. Wir frieren doch.
Devane: Wir sollten tun, was uns gelehrt worden ist.
Stimme: Liebt euch und prasst!
Devane: Der Bildschirm sagt die Wahrheit. Wir sollten tun, was er uns sagt.
Kadame: Vielleicht sollten wir...

Devane greift zaghaft nach seinem Kopf und legt ihn sorgfältig in ihren Schoss.
Die Kühlschränke wechseln ihre Farbe.
Der Bühnenraum erscheint in warmem, atmosphärischem ROT.

Musik: Mirwaïs (Naïve Song oder Paradise (Not for me))




Basel, 1995 (überarbeitet: Basel, März 2009)





Gottes Trickkiste
Ein Dramalinchen

Gottes Trickkiste der Unergründlichkeit

Ein Mann tritt ein. Er stellt eine Flasche Wein auf den Tisch. Die fünf bereits vorher im Raum anwesenden Menschen stehen in einer Reihe auf der Seite der Bühne.
Der Mann setzt sich, hebt den rechten Arm senkrecht pfeifengerade in die Luft, streckt den Zeigefinger als Verlängerung in die Luft und rührt sich nicht.
Die fünf bereits Anwesenden schauen auf dieses vermeintliche Zeichen hin auf den Boden, jeder auf die Stelle zwischen ihren beiden Füssen.
Die Rotweinflasche kippt um.
Sie ist offen.
Der Rotwein fliesst vom Tisch auf den Boden in einem Strahl, denn der Hals der Flasche ragt über die Tischkante hinaus. Einer der fünf auf die Stelle zwischen den Füssen starrenden Menschen rührt sich nervös und heftig aus seiner Position und geht dann gemächlich und ruhigen Schrittes zu der Weinquelle, unter die er sich legt und dabei den Mund öffnet, um den strömenden Wein zu schlucken.
Alle anderen bleiben in ihrer Stellung.
Allen tropft es von der Decke auf den Kopf.
Sie verharren in ihrer Position.


1. dieser fünf Verharrenden: Es.....

2. `` `` `` : .....reg-.....

3. `` `` `` : .....-net....

4. `` `` `` : .....schon.....

5 `` `` ``
( er ist der mit dem
Zeigefinger in der Höh) : .....wieder.
Der Trinkende am Weinstrahl, der vom Regen verschont bleibt, hat den Wein fertig getrunken und bleibt in der eingenommenen Position liegen, ohne sich zu bewegen.


Er: Das Leben ist ein heiteres Spiel von Gegebenem und
Erhaltenem. Eine Aneinanderreihung von Ereignissen aus Gottes Trickkiste der Unergründlichkeit.

1.: Das Leben ist ungerecht. Früher, als sich noch niemand traute, aus der Reihe zu tanzen, da wusste man noch, wo Gott wohnte.

2.: Man wusste noch nichts von Kosmos und Materie, gab sich mit Gott zufrieden und diente einem Kaiser oder einer Königin und dem Papst in Avignon oder Rom.

3.: Man war Untertan mit Leib und Seel. Von Entscheidungen nicht geplagt, um Wissen nicht besorgt.
Das Wissen um die Steuereintreiber und dem sonntäglichen Kirchgang reichten, um ein beschauliches Leben zu führen ohne Verwirrung und ohne Überlegung.

4.: Die Wege des Herrn. Unergründlich sind sie wie eh und je.




Berlin, 1995 (überarbeitet: Basel, Januar 2008)






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